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Fakebook

Neulich habe ich auf meiner Facebook-Seite ein Statement erhalten. Da schrieb mir jemand: „Du dummes arrogantes Dreckschwein, du bist so eine verlogene Stasi-Sau!“

Und darunter schrieb ein anderer: „Genau.“

Da wusste ich, warum man das „soziale Netzwerke“ nennt. Früher hatte jedes Dorf einen Depp. Facebook heißt, dass die sich jetzt miteinander unterhalten können.

Ich meine, dass ich ein dummes, arrogantes Dreckschwein bin – OK.

Eine verlogene Sau? Ja, gut – von mir aus auch das. Aber dass ich bei der Stasi war, das wusste ich ja gar nicht. Als die Mauer fiel, war ich gerade volljährig. Da muss mich die Stasi ja angeheuert haben, als ich noch in der Pubertät war. Um DDR-Bürger auszuspitzeln. Von Gelsenkirchen aus. Da kann man mal sehen, wie perfide diese Stasi doch gewesen ist.

Ein anderes Mal habe ich auf meiner Facebook-Seite ein Foto gepostet, das ein abgeschobenes Flüchtlingskind mit müdegeweinten Augen zeigte – daraufhin erhielt ich darunter folgenden Kommentar: „Ja, traurig, aber ich sehe bei meiner täglichen Arbeit deutsche Kinder. Ich sehe die Kürzungen, kaputte Rollstühle und Kinderheime, welche überfordert sind. Deshalb fordere ich, erstmal dort anzufangen… Bin ich jetzt ein Nazi?“

Da konnte ich es mir natürlich nicht verkneifen und musste einfach antworten: „Vielen Dank für Ihre Frage, ob Sie jetzt ein Nazi sind. Dazu lässt sich Folgendes sagen: Wer Menschen einteilt in Deutsche und Nicht-Deutsche ist ein Nationalist. Und wer soziale Leistungen „erstmal“ für Deutsche fordert, ist ein Nationaler Sozialist. Und abgekürzt heißt Nationaler Sozialist… Na, da kommen Sie von selbst drauf, oder? Ich hoffe, Sie halten das jetzt nicht für eine Beschimpfung, aber das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“

Einer anderer schrieb mir mal: „Wir wollen bei uns keine Verhältnisse wie in Neukölln!“

Da hab ich geantwortet: „Oh, das ist aber mal interessant, ich wohne ja in Neukölln. Erzähl mal, welche Verhältnisse haben wir denn hier?“

Antwort: „Na, was man halt so durch die Zeitung mitkriegt, vom Buschkowsky-Heinz und so.“

Da konnte ich es mir dann natürlich nicht verkneifen und schrieb nur: „Lügenpresse! Lügenpresse!“

Schön war auch folgendes Statement, das ich mal lesen durfte:

„Wenn das so weitergeht mit diesen Ausländern, die zu uns nach Deutschland kommen, dann wandere ich aus!“

Solchen Leuten kann man als Ausreiseziel eigentlich nur Syrien empfehlen – vielleicht können sie dann ja nachempfinden, wie schnell man von da wieder weg und zurück nach Deutschland will. Jedenfalls möchte man nach derartigen Kommentaren am liebsten ausrufen: „Herr, schmeiß Hirn vom Himmel! Oder Backsteine – Hauptsache, du triffst! Und nimm vorher den Bedürftigen die Schirme weg!“

Aber das „Beste“ stand mal auf der Seite von Pegida-Nürnberg – da schrieb ein Besucher: „Die Islamisierung ist bereits fortgeschritten. In deutschen Schulen werden arabische Zahlen gelehrt.“

Darauf antwortete Pegida-Nürnberg: „Nichts davon ist unumkehrbar. Wir müssen es nur wollen.“

Ein weiterer Besucher schrieb dann: „Ja, und lateinische Schrift wird auch noch gelehrt.“

Darauf eine Bianca: „Bei uns zum Glück noch nicht.“

Um es auf den Punkt zu bringen: Eine Politik, die es seit 20 Jahren nicht geschafft hat, effektiv etwas gegen die Bildungsmisere in unserem Land zu unternehmen, eine Politik, die zwar Multimilliarden aktivierte, um Banken zu retten, aber jeden Euro für Lehrkräfte, Unterricht, Aus- und Fortbildung zweimal umgedreht hat – eine solche Politik hat es doch gar nicht besser verdient, als jetzt dabei zugucken zu müssen, wie die Blödbirnen unserer Nation nun scharenweise den etablierten Parteien die Gefolgschaft verweigern.

Es ist aber auch ein Kreuz mit diesen Pöbel- und Hetzkommentaren in den sozialen Netzwerken. Deshalb kam es vor Kurzem zu einer lustigen Podiumsdiskussion, bei der die deutsche Chef-Lobbyistin von Facebook (eine gewisse Eva-Maria Kirschsieper) gefragt wurde, wie viele Facebook-Mitarbeiter sich in Deutschland eigentlich um Hasskommentare kümmern. Worauf sie antwortete: „Das ist nichts, worüber wir heute kommunizieren“, worauf der Journalist, der diese Frage stellte, entgegnete: „Sie kommunizieren nie darüber!“

Woraufhin Smudo von den Fantastischen Vier (der auch auf dem Podium saß) ein passendes Bild entwarf, indem er zu der Facebook-Sprecherin sagte: „Sie laufen hier gerade herum wie eine Kakerlake, wenn das Licht angeht.“

Eine wunderbare Metapher! Man hört sie geradezu flitzen…

Fest steht: Facebook macht vor allem Werbung mit folgenden zwei Slogans:

1.) Facebook ermöglicht es dir, mit den Menschen in deinem Leben in Verbindung zu treten und Inhalte mit diesen zu teilen.

2.) Facebook ist und bleibt kostenlos.

Was das Verbinden „mit den Menschen in deinem Leben“ betrifft, so sollte man nicht vergessen, dass diese Verbindung auf Facebook von einem Algorithmus gesteuert wird, der einen Nutzer vor allem mit denjenigen Freunden in Verbindung hält, mit denen man selber sowieso am meisten die Verbindung hält. Jemand, der sich nur sehr selten auf Facebook anmeldet, wird gegebenenfalls nicht mit allen seinen Freunden verbunden. Das heißt, ausgerechnet von den Leuten, deren Meldungen mich am allermeisten interessieren (weil sie so selten sind) erfahre ich unter Umständen: Nichts.

Außer natürlich, man bezahlt für eine Meldung ein paar Euros – und zwar pro Meldung. Dann verbindet Facebook einen Nutzer mit mehr Freunden. So viel zum Wahrheitsgehalt des Slogans: „ist und bleibt kostenlos“. Das Ganze könnte eigentlich auch umbenannt werden in FAKEbook.

Im Grunde genommen befindet sich JEDER Nutzer von Facebook unter einer Art personalisierter Käseglocke, an deren Glaswand suggeriert wird, man wäre mit allen Freunden verbunden, während diese Käseglocke in Wahrheit diese Verbindungen siebt, filtert, steuert und kappt. Gleichzeitig registriert diese Käseglocke jede Aktion des Nutzers – was er wo anklickt, kommentiert oder weg schaltet. Und das nicht nur auf Facebook, sondern auch auf allen anderen Webseiten, die man neben Facebook noch so aufsucht.

George Orwells „Big Brother“ war eigentlich als Warnung gedacht. Nicht als Anleitung.

Oder um das hier mal auf den Punkt zu bringen: Facebook ist keine soziale Einrichtung. Facebook ist ein profitorientiertes, börsennotiertes Unternehmen, dessen Gewinne abhängig von der Anzahl der Nutzer sind. In Wahrheit profitiert Facebook also auch dann, wenn Hass und Hetze verbreitet wird. Und wenn Facebook seine Nutzer dann auffordert, gegen diesen Hass argumentativ vorzugehen, dann profitiert Facebook davon nur umso mehr. Denn das Wichtigste für Facebook ist, dass das alles auf Facebook geschieht. Und solange es genügend Leute gibt, die sich auf Facebook aufhalten, haben Anzeigenkunden auch ein Interesse, hier kostenpflichtige Werbung zu schalten. Das – und nur das –  ist das Geschäftsmodell von Facebook.

Da frage ich mich doch: Wie wäre es eigentlich, wenn wir das Gegenteil machen würden? Also nicht mehr auf Facebook anmelden und dagegen halten, sondern sich zurückziehen und über andere Wege miteinander kommunizieren. Über Email oder SMS. Oder übers Telefon. Oder was ganz Modernes: Sich mal wieder besuchen. Und dann – jetzt kommt etwas richtig Angesagtes – das Handy ausmachen, beiseitelegen und sich gegenseitig zuhören.

Überlassen wir Facebook doch einfach den Rassisten und Nazis. Sollen sich da Hass und Menschenverachtung ruhig und ohne Ende austoben.

Und wer jetzt denkt: „Wie doof ist das denn?“, der hat die Gesetze der Marktwirtschaft nicht richtig verstanden. Denn wenn auf Facebook nur noch rechtsradikale Propaganda und Hetze verbreitet wird, welche Firma will denn dann da noch Werbung schalten? Und wenn sich die Werbekunden dann zurückziehen, werfen wir einen Blick auf den Börsenkurs von Facebook und lächeln selig – denn wir haben keine einzige Aktie von diesem Unternehmen in unserem Depot. Und wenn dieser Zustand erreicht ist, dann… ja, dann wiederholen wir das Ganze mit Twitter!