Cannabispatient-(01)

„Ohne Cannabis bin ich richtig asozial drauf“

Chris Mannsfeldt (30) leidet unter ADHS und ist seit Anfang Mai diesen Jahres Inhaber einer Ausnahmegenehmigung zum legalen Erwerb von Medizinalhanfblüten. Der examinierte Krankenpfleger lebt in Berlin-Spandau und arbeitet – dank seiner grünen Medizin – nach wie vor in Vollzeit. Wir sprachen mit Chris über seinen Weg vom jugendlichen Genusskiffer hin zum staatlich anerkannten Cannabispatienten.

Bitte erzähle uns zunächst von deinen gesundheitlichen Problemen und wie du dabei auf Cannabis als Medizin gestoßen bist.

Das ist bei mir eine recht komplizierte und lange Geschichte, denn Cannabis ist mir schon mit knapp 14 Jahren das erste Mal als Genussmittel begegnet. Ich habe damals relativ zügig bemerkt, dass ich einen wohltuenden Effekt spüre und so zum Beispiel nach dem Cannabiskonsum immer sehr gut einschlafen konnte. Schon als Jugendlicher hatte ich massive Probleme mit dem Einschlafen, was zur Folge hatte, dass ich eigentlich ständig unausgeschlafen unterwegs war und das Gefühl hatte, mich immer bewegen oder ständig unter Strom stehen zu müssen, um voll dabei zu sein. Als mir dann als Teenager Cannabis zum ersten Mal begegnete, hatte ich das Gefühl, endlich einen Knopf zum Abschalten gefunden zu haben. Das war mir damals vielleicht noch gar nicht so bewusst, da wir in unserer Clique oft bis zum Umfallen kifften – doch dann baute ich einen Verkehrsunfall und legte eine vierjährige Raucherpause ein. Gleichzeitig fing ich meine Ausbildung zum Krankenpfleger an und merkte dabei aber schon, dass irgendetwas nicht stimmt. Meine Schlafstörungen kamen massiv zurück, ich war plötzlich wieder sehr ungeduldig, nervös und ständig unruhig. Dazu kamen dann auch noch Verdauungsprobleme und ich stellte auch fest, dass ich häufig an meinen Nägeln kaute. Das konnte ich damals aber noch gar nicht richtig zuordnen und ich wusste natürlich auch nicht, woher das kam. Ich dachte zuerst, dass hat nur etwas mit Stress zu tun – der da natürlich schon mit reinspielt – und machte erstmal meine Ausbildung fertig. Ich merkte aber auch, dass ich mal wieder etwas rauchen wollte und als ich dann zu Silvester 2013/14 mal wieder einen Joint rauchte, konnte ich danach wieder wie ein Baby schlafen – und zwar 10 Stunden am Stück. Ich merkte auch, dass ich danach viel ruhiger und entspannter war – meine Ungeduld und die permanente Gereiztheit hatten mich auch während meiner Arbeit stark beeinträchtigt. Das war weder für mich noch für meine Patienten von Vorteil, so dass ich mir sagte, ich kann so nicht mehr weitermachen – ich muss mich einfach schützen – und die Patienten natürlich auch. Zudem hatte ich mit der Zeit auch ein chronisches Schmerzsyndrom entwickelt, durch das ich manchmal kaum die Treppen hochkam. Ich hatte keine Ahnung, wo das alles herkam, nichtsdestotrotz litt ich sehr darunter. Also ging ich zum Arzt und ein Orthopäde erklärte mir dann, dass ich eine Hypermobilität habe – daraus resultierten auch die Überdehnungen der Muskeln und diverse Gelenkreizungen.

Mein Orthopäde verschrieb mir dann erstmal das opioide Schmerzmittel Tramadol, was ich auch einnahm, nach der Einnahme fühlte ich mich aber immer total zugedröhnt. Zwar waren die Schmerzen erträglicher und ich konnte auch wieder durchschlafen – aber diese Bretterknaller dauerhaft zu nehmen, kam für mich aufgrund der Suchtgefahr und der bekannten dauerhaften Nebenwirkungen nicht in Frage. Ich kiffte lieber weiterhin und sah auch keinen Grund, mit dem Kiffen aufzuhören. Irgendwann erklärte mir dann meine Hausärztin, man müsse sich mit mir auch mal psychologisch beschäftigen. Sie konnte zu der Zeit nicht eindeutig ausschließen, dass es sich bei mir nicht um ein psychosomatisches – also eingebildetes – Problem handelte bzw. dass bei mir eine Anpassungsstörung oder ähnliches vorlag. Also begann ich eine Psychotherapie – eine Odyssee, denn einen passenden Arzt bzw. einen Termin zu bekommen dauerte unterm Strich etwa zwei Jahre. In dem Zusammenhang wurde ich dann auch mal von meiner Psychologin gefragt, ob ich denn kiffen würde – ich antwortete ehrlich mit einem klaren „Ja“. Schließlich wollte ich ja, dass man mir hilft – da muss man dann schon ehrlich sein. Meine Psychologin/Neurologin stigmatisierte mich danach auch nicht, sondern vermutete, dass ich unter ADHS leide. Da ich inzwischen in den letzten Wochen der Krankengeld-Phase war, empfahl sie mir schließlich eine Reha – also habe ich im letzten Jahr eine Reha gemacht und so die Bestätigung erhalten, dass ich tatsächlich unter einer schweren Form von ADHS leide. Ich merkte auch, dass ich ohne Cannabis regelrecht auf dem Zahnfleisch laufe und weder für mich noch für meine Umwelt genießbar bin – und das wollte ich einfach keinem weiter zumuten. Tatsächlich bin ich ohne Cannabis richtig asozial drauf, sehr impulsiv und kann mich dermaßen in etwas hineinsteigern, dass ich regelrechtes Herzrasen und eine knallrote Birne kriege.