War-Sells-(01)

War sells – Krieg um jeden Preis

Vor kurzem schickte uns der Frankfurter Westend Verlag mal wieder ein Buch in der Hoffnung, dass wir es Euch vorstellen. Und obwohl es kein Buch über Cannabis oder eine verfehlte Drogenpolitik ist, fanden wir es extrem spannend, da es ganz neue Hintergründe des globalen Krieges gegen den Terror (der ebensowenig zu gewinnen ist, wie der globale Krieg gegen die Drogen) enthüllt. In den USA erschien das Buch  von James Risen unter dem Titel „Pay Any Price – Greed, Power and Endless War“, in der deutschen Version heisst es „Krieg um jeden Preis – Gier, Machtmissbrauch und das Milliardengeschäft mit dem Kampf gegen den Terror“. Die New York Times schrieb über Risens Buch: „Seine rasante, verständliche Sprache und sein Detailreichtum lassen das Buch wie einen unglaubwürdigen Thriller erscheinen. Die Tragödie ist, dass alles, obwohl unwahrscheinlich, wahr zu sein scheint.“ Und die Frankfurter Allgemeine Zeitung urteilte: „James Risen hat ein beängstigend gutes Buch geschrieben.“ Das sehen wir genauso, weshalb wir das Buch hier in Ausschnitten vorstellen und Euch für eine vollständige Lektüre ans Herz legen.

Vielleicht bestand Barack Obamas größte politische Stärke darin, dass er als Kandidat so völlig anders wirkte als George W. Bush. Sein Wahlkampf verhieß Licht nach acht Jahren, in denen Bushs Vizepräsident Dick Cheney nichts lieber getan hatte, als auf der, wie er es nannte, „dunklen Seite“ zu Werke zu gehen. Aber Regierungsmacht lässt sich, einmal angehäuft, nur schwer wieder aufgeben, und Obama erlag rasch der Versuchung. Er verkündete, er wolle „nach vorn blicken, nicht zurück“ und sprach sich gegen umfassende neue Untersuchungen des Einsatzes von Folter, der rechtswidrigen Gefangenenüberstellungen, der geheimdienstlichen Ausspähung amerikanischer Bürger im Inland und anderer möglicher strafbarer Handlungen des Regierungsapparats unter George Bush aus. Nachdem er an seinem ersten Tag im Amt einen Präsidentenerlass zur Schließung des Gefängnisses von Guantánamo Bay unterzeichnet hatte, änderte Obama seinen Kurs wieder und ließ die Anstalt in Betrieb. Er umgab sich mit Beratern, die tief in die umstrittensten sicherheitspolitischen Maßnahmen der Bush-Administration verstrickt waren. Er weitete den Einsatz von Drohnen für gezielte Tötungen auf der ganzen Welt aus, setzte die Praxis der Anklage von Terrorverdächtigen vor Militärtribunalen fort, erlaubte den Strafverfolgungsbehörden, solche in den USA gefangenen Verdächtigen ohne Verlesung ihrer Rechte zu verhören, und billigte die außerjustizielle Tötung amerikanischer Bürger, die sich al-Qaida angeschlossen hatten. Er unternahm praktisch nichts, um verbreitete Missbräuche externer Vertragspartner der US-Administration im Irak, Afghanistan oder im umfassenderen globalen Krieg gegen den Terror einzudämmen.

Er forderte und erhielt für die National Security Agency (NSA) die Befugnis, die Amerikaner weiterhin flächendeckend elektronisch zu überwachen und ging noch weiter, indem er der NSA die Verantwortung für die Cybersicherheit übertrug, wodurch er der Spionagebehörde einen umfassenden neuen Zugriff auf das Internet verschaffte. Senatoren aus seiner eigenen Partei warnten bald, dass Obama die Macht staatlicher Überwachung heimlich noch über die von Bush autorisierten Befugnisse hinaus ausweitete. Obama ließ zu, dass der Ausschuss für Freiheitsrechte, der den Krieg der Regierung gegen den Terror beaufsichtigen sollte, untätig und jahrelang unterbesetzt blieb. Seine Administration ging drakonisch gegen die Presse vor, spionierte Journalisten aus und verfolgte mehr Whistleblower und Hinweisgeber, die staatliche Missbräuche enthüllten, als alle vorangehenden Administrationen zusammengenommen.

Es machte sich für Obama bezahlt, dass er dem alten Vorwurf der Republikaner, die Demokraten seien bei der nationalen Sicherheit zu weich, den Stachel zog. Obama glückte ein politisches Kunststück: den nationalen Sicherheitsstaat, den Bush zu solch gewaltiger Größe aufgebläht hatte, nahm er sich und machte ihn sich zu eigen. Unter ihm wurden die planlosen Notfallmaßnahmen, die Bush nach den Anschlägen vom 11. September verhängt hatte, zur Normalität. Obamas größte Leistung – oder größte Sünde – war, dass er den nationalen Sicherheitsstaat in eine Dauereinrichtung verwandelte.