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Steffen Geyer: „Ich brauche keine Million, um die Welt zu retten“

Die einen growen, die anderen konsumieren und wieder andere singen und schreiben darüber. Hanf ist ein Thema, das vielen eine Bühne gibt, im Großen und im Kleinen. Doch meistens dreht es sich um einen Markt, der von allen Beteiligten zum eigenen Vorteil genutzt wird. Aber halt – an vorderster Front gibt es auch eine Spezies, die sich völlig uneigennützig engagiert. Um zu informieren. Um aufzuklären. Um etwas zu bewegen. Und das ganz ohne finanzielle Hintergedanken. Die „Aktivisten“ sind die wahren Experten, die dann zu Rate gezogen werden, wenn man mal wieder Hilfe braucht. Oder Informationen.

Hallo Steffen, kaum einer meiner bisherigen Gesprächspartner in dieser Reihe konnte es vermeiden, dich mindestens zu erwähnen. Auch die Nominierung für den Jack Herer Award kam ja nicht von ungefähr. Bist du so etwas wie das Aushängeschild oder das Sprachrohr der deutschen Hanfbewegung?

In diese Rolle bin ich eher zufällig geraten, weil ich einer derjenigen war, der noch durchgehalten hat, als die Szene Mitte des letzten Jahrzehnts am Boden lag. Die vorherige Hanfparadengeneration um Martin Müncheberg, Stephan Kopschinski und Rolf Ebbinghaus hat sich nach vielen Jahren des Aktivistendaseins etwas zurückgezogen. Ich bin erst 2001 neu dazugestoßen und habe mit neuer Kraft und meinem einprägsamen Erscheinungsbild sehr schnell einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Das genieße ich ehrlich gesagt auch. Ich bin halt ein bisschen bühnensüchtig und nutze alle Möglichkeiten öffentlicher Auftritte.

Wie kam es zu deinem Aktivistendasein?

Ausschlaggebend war ein Erlebnis Ende 1997. Ich war gerade am Nürnberger Bahnhof auf dem Weg zur Bundeswehr und geriet in eine Bahnhofsrazzia. Zum ersten Mal musste ich erfahren, dass Drogenkonsum auch mit Strafverfolgung einhergeht. Ich bin in Thüringen aufgewachsen und dort war das eher eine abstrakte Gefahr. Es gab zwei Polizisten für einen ganzen Landkreis, die waren natürlich absolut überfordert. In Nürnberg sah das schon ganz anders aus. Bei der Razzia wurden bei mir 4,9 Gramm Haschisch konfisziert, was für mich doppelt negativ zu Buche schlug: Zum einen hatte ich beim Händler meines Vertrauens eigentlich sechs Gramm gekauft, wurde also betrogen. Zum anderen war das Dope nun weg und ich musste mit einer erheblichen Strafe rechnen. Die erste Nacht verbrachte ich in Einzelhaft. Dazu kam noch die Konsequenz bei der Bundeswehr: Dort wurde ich zum maximalen Einsitzen verdonnert, also 21 Tage in Einzelhaft, was das höchste Strafmaß ist, das seitens der Bundeswehr gegen Wehrpflichtige verhängt werden kann. Das Ganze war wie gesagt 1997, im Jahr der ersten Hanfparade, und hat bei mir einen Schalter umgelegt. Von da an beschloss ich, nicht mehr den anderen beim „Welt retten“ zuzuschauen, sondern selbst aktiv zu werden. Ein Jahr später zog ich zum Studieren nach Berlin und stellte mich bei einem Treffen der Hanfparade im Hanf Museum vor. Die Gruppe war schon immer dankbar für alle, die mithelfen wollen und mitdenken können, so begann ich 2001 ganz klassisch als kleiner Helfer an der damals sehr großen Bühne der Parade.

Damals hat die Hanfparade stark an Besucherzahlen eingebüßt. Ist es jetzt wieder an der Zeit, im Zuge einer „neuen Legalisierungsbewegung“ Hanfgeschichte zu schreiben?

Einige Experten beschreiben die Bewegung als „Grippewelle“, die alle zwölf Jahre über das Land rollt. So langsam ist in der Tat auch wieder Schwung drin, doch das ist kein Selbstläufer. Man muss solche Wellen produzieren. Die Aktivisten haben sich in den letzten zwölf Jahren viel besser aufgestellt. Verglichen mit der Organisation, der Durchführung und vor allem der Dokumentation der damaligen Aktivitäten ist heute nicht nur bei der Hanfparade alles viel professioneller. Dieser Lernprozess war notwendig, um die Fehler der Vergangenheit zu erkennen und auszumerzen. Die „alte Hanfparade“ ist z. B. daran zerbrochen, dass bis 2002 keine Umsatzsteuern bezahlt wurden. Als das Finanzamt dann eine erhebliche fünfstellige Summe eintreiben wollte, war natürlich kein Geld da. 2006 musste der Verein „Bündnis Hanfparade“ schließlich in Insolvenz gehen.

Kannst du etwas zur diesjährigen Hanfparade erzählen – Ablauf, Highlights, Motto, Bands, erwartete Teilnehmerzahl?

Wir gehen davon aus, dass die Parade am 9. August 2014 die größte der vergangenen zehn Jahre wird. Wir rechnen konservativ mit 10.000 Teilnehmern. Das Motto lautet „Grünes Licht für die Legalisierung“. Das Bühnenprogramm kann sich absolut sehen lassen, es wird Soom T aus Irland auftreten Götz Widmann wird mit Billy Rückwärts spielen Martin Jondo D-Flame und Uwe Banton tritt mit Ganjaman auf. Das Rednerspektrum ist ebenfalls sehr gut und vor allem international aufgestellt. Die Höhepunkte auf der Strecke werden zum einen die Zwischenkundgebung vor dem Haus der Grünen sein. Dann geht es weiter zum Bundesgesundheitsministerium, was besondere Brisanz hat, denn wir sind guter Dinge, dass bis dahin die ersten Cannabispatienten Anbaugenehmigungen haben. Am 8. Juli werden drei Anträge auf Anbau vor dem Kölner Verwaltungsgericht verhandelt. Ein positiver Ausgang der Verhandlung dürfte auch der Hanfparade einen deutlichen Schub geben.